Die gute Nachricht ist: Wir Schweizerinnen und Schweizer möchten gerne Plastik rezyklieren. Das zeigt sich aus den Rücklaufquoten der PET-Flaschen - über 80% - ebenso wie aus der erstarkenden Forderung und der Bereitschaft, auch andere Kunststoffe der Wiederverwertung zuzuführen. Auch wenn - und trotzdem - uns das etwas kostet. Die schlechte Nachricht… Nein, eine schlechte Nachricht gibt’s nicht wirklich. Einzig noch einige technische und organisatorische Herausforderungen zu bewältigen und vorerst die Erwartungen an die zu erzielende Recycling-Rate zu bezähmen.
PET und was da sonst noch so rumfliegt
Soviel soll mal ausnahmsweise gesagt sein: Plastik ist - in Relation zu Benzin oder Kerosin - eines der sinnvolleren Produkte, die wir aus Erdöl herstellen. Man könnte sich auf die Position stellen, es wäre von nachhaltigem Vorteil, das uns verbleibende Erdöl für die Herstellung von Plastik aufzusparen, anstatt es in irgendwelchen Motoren zu verheizen. Vor allem, wenn diese Kunststoffe in eine Form gebracht werden, die sich entweder durch einen langfristigen Nutzwert oder/und eine hohe Wiederverwertbarkeit auszeichnen. Die lange haltbaren und praktischen Plastik-Vorratsbehälter eines Herrn Tupper und seiner Konkurrenten kommen einem in den Sinn, oder eben PET-Flaschen. Der Erfolg der letzteren kommt ja nicht von ungefähr: Polyethylenterephtalat, PET, ist im Idealfall zu 100% und in der nicht ganz so idealen Realität zu über 80% rezyklierbar, und die dabei angewandten Verfahren sparen auch tatsächlich - entgegen verbreiteter Mythen - wesentliche Mengen (um die 50%) des Energieaufwands gegenüber der Neuherstellung ein. Ein Vorteil, der sich beim Mehrfachrecycling aufkumuliert – von der Einsparung an Ausgangsressourcen ganz zu schweigen.
Das Problem ist nun natürlich, dass weitaus nicht alles hergestellte und in Umlauf gebrachte Plastik solch hohen Anforderungen genügt. Da können wir Schweizerinnen so vorbildlich PET sammeln, wie wir mögen - und sollten das auch weiterhin tun! -; das ändert dann aber nichts daran, dass wir mit 125 kg pro Kopf und Jahr überdurchschnittlich viel Plastik verbrauchen, wovon wiederum PET mit seinen 6% Gesamtmarktanteil weltweit nur einen Bruchteil stellt. Umso erfreulicher ist es, dass immer mehr Konsumentinnen sich bereit zeigen, die im Haushalt anfallenden, gemischten Kunststoffabfälle separat zu sammeln und einer Weiterverwertung zuzuführen - obwohl sie das zusätzliches Geld kostet. Verschiedene in den letzten Jahren sich erfolgreich positionierende Sammelaktionen geben davon Zeugnis: Der sich im gesamten Deutschschweizer Mittelland ausbreitende “Sammelsack“, der bislang hauptsächlich im Bernischen aktive “Recycling-Sack“ oder der in der Nordostschweiz etablierte “Kuh-Bag“. All diese Aktionen arbeiten mit gebührenpflichtigen Sammelsäcken und erfreuen sich steigender Sammelquoten. Doch all das gibt dann selbstverständlich auch zu Widerworten und Diskussionen Anlass.
Kreislaufwirtschaft im Aufbau
Die grundsätzliche Schwierigkeit, der sich eine Sammlung von gemischten Kunststoffen gegenübersieht, ist eben deren Gemischtheit. Längst nicht jeder Kunststoff ist wiederverwertbar, was schon allein, aber ganz gewiss im Verbund mit der aufwändigen Arbeit der Sortierung, den Recycling-Erfolg gegenüber der homogenen PET-Sammlung deutlich abschwächt. Nur etwa die Hälfte der Kunststoffabfälle aus Privathaushalten kann stofflich verwertet werden, der Rest wird einer energetischen Verwertung zugeführt, also zur Energieerzeugung verbrannt. Das resultiert nicht zuletzt auch daraus, dass Kunststoffe aus den Haushalten in aller Regel stärker verschmutzt, heterogener und durch mehr Fremdstoffe angereichert sind als etwa solche aus der Industrie. Das Ziel einer Recycling-Quote von 70% der gesammelten Kunststoffe, wie es der Bund vorgibt, dürfte somit vorderhand schwierig zu erreichen sein.
Eine weitere Sorge des Bundes und der Gemeinden war, dass die separate Sammlung von gemischten Kunststoffen die gut etablierte und effiziente PET-Sammlung unterminieren könnte, indem PET-Flaschen in den falschen Kreislauf gelangen. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass sich diese Sorge nicht bestätigt; es gilt aber gewiss, darauf weiterhin ein Auge zu haben.
Ebenfalls ein kritisches Auge darf dem Verhalten der ins Geschehen verwickelten Unternehmen gewidmet sein. Der Markt mit den Recycling-Produkten aus Kunststoffen ist unübersichtlich, und dass sich mit dem guten Willen breiter Bevölkerungsschichten auch mal gute Geschäfte machen lassen: Dafür ist die Geschichte nicht ohne Beispiel. Sowas jetzt aber voreilig zu unterstellen, ist bislang kein Anlass ersichtlich. Schwerer mögen ökologische Einwände wiegen. Man darf sich durchaus fragen, wie klimaeffizient es ist, den 35-Liter-Plastiksammelsack von vier Kilo Gesamtgewicht per Automobil zur nächstgelegenen Sammelstelle zu verfrachten, wenn die durch das Plastik-Recycling eingesparten Klimagase da dann schon durch die Fahrt ausgehebelt werden. Da bleiben bestenfalls das gute Gewissen und die eingesparten Rohstoffe… sowie - niemals zu verachten - die Wegbereitung einer Umgestaltung der Wegwerf-Mentalität...
Recycle, Reuse, Reduce
Kommen in der gar nicht so wettbewerbsfreudigen Marktwirtschaft plötzlich neue Marktteilnehmer daher, muss man sich üblicherweise um die Gegenrede und Gebietsmarkierung der bereits ansässigen Marktparteien nicht sorgen. Eine Spur davon liess sich etwa in der Gegnerschaft ausgewählter Kehrichtsverbrennungsanlagen gegen die Ideen der Kunststoffsammler erahnen, die sich da gesellschaftsbeauftragt um die Energieerträge ihrer Verbrennungsöfen sorgten - und indessen schon kräftig zurückrudern mit dem Eingeständnis, dass der Verlust der abgezweigten Verbrennungsmaterialien doch eher ein marginaler sei. Doch mal abgesehen davon: Ist nun die separate Sammlung von gemischten Kunststoffen eine gute Idee? Neigt man der strikt gegenwartsbezogenen Kosten-Nutzen-Rechnung zu, lassen sich Zweifel begründen. Eine der Kreislaufwirtschaft durchaus nicht abgeneigte Studie sprach dann auch davon, die Sammlung gemischter Kunststoffe biete momentan verhältnismässig geringen ökologischen Nutzen zu hohen Kosten. Doch an eine gerade erst seit ein paar Jahren sich etablierende Unternehmung den Anspruch zu stellen, sie möge schon funktionieren wie eine wohlgeschmierte Maschine und alle Mängel und Ungewissheiten ausgebügelt haben, ist dann halt auch Quatsch. So fand man letzthin auf einer Konferenz der involvierten Ämter und Anbieter Ende 2017 zur vorläufigen Übereinkunft, der separaten Sammlung von Kunststoffen aus den Haushalten nicht im Weg stehen zu wollen. Die Überführung auch anderer Kunststoffe als nur PET in eine Kreislaufwirtschaft bleibt wünschenswert: Speziell auch in der Schweiz. Denn so beruhigend unsere Recycling-Rekorde bei ausgewählten Materialien wie PET oder Aluminium auch wirken mögen, im internationalen Vergleich können wir betreffs unserer gesamthaften Wiederverwertung von Kunststoffen keineswegs trumpfen.
In diese Kerbe schlagen verschiedentlich auch innovative Start-Ups und Aktivistinnen, die sich um die Rückführung von Kunststoffen in einen Verwertungskreislauf bemühen. So etwa das Aarauer Unternehmen BOXS, das gemeinsam mit dem angeschlossenen Unternehmen UpBoards Kunststoffabfälle aus Industrie und Gewerbe in einem engen Kreislauf zu wetterfesten Recycling-Allzweckplatten gestaltet. Neben deren vielseitigen Verwendungsmöglichkeiten im Gewerbe und im privaten Bereich konstruieren sie daraus auch modulare, flexible Unterkünfte, die als Notunterkünfte in Krisengebieten oder als zeitweilige Wohnraum-Lösungen zum Einsatz kommen können. Sie verfolgen damit einen Upcycling-Ansatz, der insbesondere auch dem diesbezüglich breit vernachlässigten Mischplastik ein sinnvolles Nachleben schenkt.
Um nun dieser Kunststoff-Wiederverwertung weiteren Vorschub zu leisten, ist die Separat-Sammlung von Kunststoffabfällen aus den Haushalten ein Schritt in die richtige Richtung, dem wir die Zeitspanne, sich Erfahrungen zu erarbeiten, zugestehen sollten. Dafür heisst es, mitzumachen! Ein weiterer Schritt ist natürlich, den Plastikkonsum insgesamt zu reduzieren - vor allem in der Form von Verpackungsmaterialien, die noch immer den Löwenanteil unserer Verschwendung ausmachen. Eine zusätzliche Aufgabe für Politik und Wirtschaft wäre dann, den Anteil nicht rezyklierbarer Kunststoffe und Plastik-Verbundsmaterialien am Markt drastisch zu reduzieren. Auch hierfür setzt die Kunststoffsammlung eindeutige Signale.
Quellen und weitere Informationen:
Separate Kunststoff-Sammlungen: Sammelsack / Recycling-Sack / Kuh-Bag
Bafu: Kunststoffe und Separatsammlung
Studie Kunststoff Recycling und Verwertung
srf: Der Widerstand gegen das Plastik-Recycling bröckelt
Innovative Kunststoff-Wiederverwertung: BOXS und UpBoards
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