Orkan Lothar veränderte die Waldwirtschaft

Nach Sturm Lothar blieb viel Totholz in den Wäldern liegen. Nach Sturm Lothar blieb viel Totholz in den Wäldern liegen.

Wie so vieles im Leben war auch der Orkan Lothar ein zweischneidiges Schwert. Einerseits brachte er nach Weihnachten 1999 grosses Leid, Verwüstung und Sachschaden. Andererseits wirkte er sich auf die Natur überaus positiv aus: Die Artenvielfalt und die Dynamik der Ökosysteme stiegen stark an.

waldWIRTSCHAFT

Viele – insbesondere bewaldete – Ökosysteme in der Schweiz sind von Menschen gemacht oder zumindest stark beeinflusst. Lange Zeit war man darauf bedacht, Wälder möglichst ‘schön aufgeräumt‘ zu präsentieren und den grösstmöglichen Holznutzen daraus zu ziehen. In der Folge waren viele Waldgesellschaften stark überaltert; der Jungwuchs fehlte, ebenso das Totholz.

Da der Wald sehr oft auch eine Schutzfunktion erfüllt, ist es sehr wichtig, dass er möglichst wenig störungsanfällig ist. Heute weiss man, dass Mischwälder eine grössere Widerstandskraft aufweisen als Monokulturen. Wichtig ist auch, dass es Lichtungen gibt, sowie eine gewisse Dynamik: Schlägt man kleinere Gebiete kahl, ermöglicht man dort eine Sukzession und verhindert stark überalterte Waldgesellschaften.

Die Überalterung ist auch dadurch entstanden, dass der Mensch schädliche Extremereignisse zu minimieren versucht. Waldbrände, Steinschläge und ähnliches werden bekämpft, sodass kaum natürliche Dynamik entsteht.

Extremereignis – Fluch und Segen zugleich

Doch ab und zu schafft es die Natur trotzdem – den Menschen auf die Ränge zu verweisen. Innert weniger Minuten hatte Sturm Lothar am 26. Dezember 1999 auf der Alpennordseite mehr als ein Dutzend Menschen das Leben gekostet und das Kapital vieler Waldeigentümerinnen zunichte gemacht. In der Folge brachen die Holzpreise stark ein, denn der Markt wurde mit Sturm-Holz überschwemmt. Spätestens seit 2005 erholen sich die Holzpreise für Säge-Rundholz wieder. Die Energieholzpreise waren von Beginn weg kaum betroffen.

In den Kantonen Bern, Freiburg, Luzern und Nidwalden warf Lothar auf einen Schlag das Vier- bis Zehnfache der jährlichen Waldnutzung. Für die Natur war dies ein Geschenk. Vielerorts entstanden Lichtungen und gefallene Bäume blieben lange liegen, da die Ressourcen zur sofortigen Entfernung fehlten. In der Folge entschieden sich einige Eigentümer, das Totholz absichtlich liegen zu lassen: Sie errichteten Waldreservate.

Für die Artenvielfalt ist neben der Dynamik auch wichtig, dass man ‘totes‘ Pflanzenmaterial stehen und liegen lässt. Bäume sollten mindestens einen Meter über Boden abgeschnitten werden. Der Stumpf kann so kaum kippen, steht jedoch als Aussichtspunkt und Larvenquelle für Vögel zur Verfügung. Ast- und Laubhaufen bieten Igeln, kleinen Nagern, Amphibien und Schuppenkriechtieren – beispielsweise Schlangen – Unterschlupf und Winterquartier.

Liegt viel Totholz bereit, profitieren allerdings nicht nur ‘Nützlinge‘. Der Buchdrucker Ips typographus) – ein Borkenkäfer – kann sich bei grossen Totholzvorkommen rasant vermehren und befällt in der Folge auch gesunde, stehende Bäume. Da dies sowohl wirtschaftliche Schäden, als auch eine Gefährdung der Schutzfunktion der Wälder zur Folge haben kann, empfiehlt das WSL genügend finanzielle und personelle Ressourcen gezielt und koordiniert einzusetzen.

"Wo aus ökonomischen, ökologischen oder logistischen Gründen keine Forstschutz-Massnahmen getroffen werden, müssen wir eine natürliche Waldentwicklung mit verstärktem Käferbefall akzeptieren.“

Beat Forster und Franz Meier, Merkblatt für die Praxis 44 (2010), Sturm Witterung und Borkenkäfer


WALDwirtschaft

Seit 1980 beobachtet das WSL gehäuft auftretende Naturereignisse wie Stürme, Trockenperioden und Schneedruckschäden, welche zu Massenvermehrungen des Buchdruckers führen. Mit der Klimaerwärmung werden sich solche Extremereignisse häufen. Das BAFU hat auch im Hinblick auf Überschwemmungen durch Hochwasser mit anderen Bundesstellen und Kantonen Vorbereitungen zur besseren Vorwarnung getroffen. Seit 2009 gibt es das Forschungsprogramm Wald und Klimawandel, welches in Zusammenarbeit mit der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL lanciert wurde. In einer ersten Synthese wurde festgestellt, dass vermutlich nicht die durchschnittliche Erwärmung von 2-7°Celsius bis 2100, sondern die extremen Witterungsereignisse – wie Hitze- oder Trockenperioden – den grössten Einfluss auf den Schweizer Wald üben werden. Die Erkenntnisse des Forschungsprogramms, dessen zweite Phase bis 2015 geplant ist, sollen unter anderem bei der politischen Umsetzung der Waldpolitik 2020 helfen.

Die Waldpolitik 2020 enthält Visionen (Zeithorizont 2030) sowie konkrete Ziele (Zeithorizont 2020) mit dazugehörigen strategischen Stossrichtungen. Die 11 Ziele lauten:
Nachhaltig nutzbares Holznutzungspotential wird ausgeschöpft
Klimawandel: Der Wald und die Holzverwendung tragen zur Minderung bei und die Auswirkungen auf seine Leistungen bleiben minimal
Schutzwaldleistung ist sichergestellt
Biodiversität bleibt erhalten und ist gezielt verbessert
Waldfläche bleibt erhalten
Wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Waldwirtschaft ist verbessert
Waldböden, Trinkwasser und Vitalität der Bäume sind nicht gefährdet
Wald wird vor Schadorganismen geschützt
Das Gleichgewicht Wald-Wild ist gewährleistet
Freizeit- und Erholungsnutzung erfolgt schonend
Bildung, Forschung und Wissenstransfer
Quelle: BAFU

 

Weitere Informationen:
Quelle Magazin Umwelt (Bafu): Unser Wald entwickelt sich in eine nachhaltige Richtung

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