Eine blaue, gebrauchte Hose bitte

Werfen wir mit genügend Druck Sand dagegen, wird es heller Werfen wir mit genügend Druck Sand dagegen, wird es heller

Auch wenn die Produktionspraxis allgemein geächtet ist und viele Hersteller auf sie verzichten wollen, findet sie doch noch immer Anwendung: Das Sandstrahlen von Jeans zur Erzeugung des used look.

Ziel war es, den Goldgräbern um San Francisco eine robuste Arbeitshose anbieten zu können. Da dämmerte dem Schneider Jacob Davis die Idee, deren Nähte mit Nieten zu verstärken. Er hatte indessen kein Geld, darauf ein Patent anzumelden. Er wandte sich an den Händler Levi Strauss, und bald waren die beiden Inhaber eines Patents einer nietenverstärkten Hose aus braunem Segeltuch. Das Segeltuch wurde bald darauf durch einen indigoblauen Baumwollstoff namens Denim abgelöst, der aus der Gegend von Genua, Italien stammte - "Gênes", oder amerikanisch: "Jeans". Da war sie, die wohl erfolgreichste Hose der Welt.

Eine Hose für Arbeiter...

Ursprünglich als Arbeiterhose konzipiert, blieb sie das bis heute. Doch spätestens, nachdem James Dean und Marlon Brando sie in Filmen getragen hatten, die die Jugend zum mutwilligen Ungehorsam rührten, wurde sie mehr: Die Blue Jeans war jetzt Rebellionsbekenntnis, mit dem Erlahmen des halbstarken Tatendrangs dann Freizeithose, Allzweckhose... Auf die Laufstege geholfen haben dürfte ihr schliesslich auch ihre sexy Passform hintenrum. Insgesamt zeichnete sich dabei eine Entwicklung ab, die üblicher Konsumgewohnheit entgegenläuft. Die Hose sollte schon beim Kauf gebraucht aussehen, heute gar zerstört: Ausfransungen, Risse, Schrammen, Einschusslöcher... anything goes. Der charakteristische used look der Jeans resultiert dabei direkt aus der Art ihrer Färbung. Der indigoblaue Farbstoff dringt nicht in den Baumwollstoff ein, sondern haftet ihm nur äusserlich an. Dadurch verliert der Stoff zwar beim Waschen kaum an Farbe, wohl aber durch Reibung.

...zu Lasten der Arbeiter

Nachdem das Bedürfnis nach abgetragenen Jeans auch von den Konfektionsherstellern entdeckt wurde, setzte es eine bedenkliche Praxis in Gang. Die Hose, die einst Arbeitern diente, gefährdet sie nun. Durch verschiedene chemische und mechanische Verfahren werden die Jeans gleich nach der Färbung wieder gebleicht, was nie besonders umwelt- und arbeiterfreundlich abgeht. Die effizienteste, also billigste Art, Jeans auf alt zu trimmen, ist schliesslich auch die ruinöseste für die Arbeiter: Das druckvolle Abreiben der Farbe mit einem Strahl feinen Sands.

Beim Sandstrahlen entstehen Wolken von feinem Quarzstaub, die von den Arbeitern eingeatmet werden. Die Lunge lagert die Fremdkörper ein. Sie entzündet chronisch, es kommt zu Vernarbungen, Verhärtungen und insgesamt einer Reduktion der Fähigkeit der Lungenbläschen, Sauerstoff aufzunehmen. Diese klassische Bergarbeiterkrankheit - Staublunge bzw. Silikose - ist unter Sandstrahlern stark verbreitet und führt unbehandelt zum Tod: Durch Ersticken.

«Wir waren eine Gruppe von ehemaligen Sandstrahlern mit den gleichen Beschwerden. Ich erinnere mich, dass wir 157 Männer waren. Bei 145 davon wurde Silikose festgestellt.»
Abdulhalim Demir, ehemaliger Sandstrahler

In Europa unterliegt die Sandstrahl-Praxis strenger Regulierung, und die Türkei - eine wichtige Station in der Produktion so mancher Jeans - verbot sie 2009. Doch die Hose wird ja nicht in Europa produziert. Im Jahr 2010 startete die Clean Clothes Campaign CCC deshalb die "Killer-Jeans-Kampagne" zur internationalen Ächtung des Sandstrahlens, die nach den zu erwartenden ersten Ausweich- und Abwehrbewegungen der Konzerne dann schnell auch Unterstützung fand. Das brachte erste Erfolge. Leider musste in der Folge festgestellt werden, dass die Textilindustrie nicht in der Lage ist, die undurchschaubaren Produktionswege einer Jeans ausreichend zu überwachen. Wie unangekündigte Kontrollen immer wieder beweisen, wird insbesondere in Bangladesch und anderen Billiglohnländern wie China weiterhin mit Sand gestrahlt.

Bimsstein, Tee, Ozon und Goodbye, Denim

Es bedarf demnach auch des politischen Drucks, um die Schnäppchen-Jeans des Verdachts zu entheben, irgendwo das Leben eines unterbezahlten Arbeiters gekostet zu haben. Es bedarf ausserdem alternativer Methoden der Bleichung, da die anderen gängigen Techniken - etwa mit Kaliumpermanganat oder Chlorbleichlauge - massiv die Umwelt gefährden. Eine klassische ist die Waschung der Jeans mit Bimssteinen, stone washed, wobei dieser Begriff aber kein ökologisches Gütesiegel, sondern schlicht die Bezeichnung des betreffenden Looks ist. Neuere Methoden umfassen die Bleichung mit Ozon, das nach dem Vorgang zu Sauerstoff zerfällt, oder mit Teebeuteln. Der wohl sinnvollste Ansatz ist dann jener, die achtzig Prozent Indigo, die abgerieben werden sollen, gar nicht erst aufzutragen: Einige Anbieter stellen deshalb ihre Jeans nicht aus Denimstoff, sondern aus einem weissen Baumwollstoff her, der mit den gewünschten zwanzig Prozent ökologischer Farbe besprüht wird.

Klein, fein; Sand

Bei alledem soll noch der Hauptressource des Sandstrahlens, dem Sand, eine Randbemerkung gewidmet sein. So absurd es scheinen mag: Sand ist eine gefährdete Ressource. Er ist der meistverwendete Rohstoff unseres elektronischen und industriellen Zeitalters. Gefährdet ist er, da Sand nicht gleich Sand ist. Er unterscheidet sich in Korngrösse und Form, und der vom Wind glattgeschliffene Wüstensand ist für die allermeisten Anwendungen ungeeignet. Einmal mehr sind es die asiatischen Billiglohnländer, in denen sich unsere Nachfrage nach Sand am stärksten auswirkt. Es werden Flüsse ausgebaggert, Meeresböden abgesaugt, Strände abgetragen - mit verheerenden Auswirkungen auf Ökosysteme und Wasserkreisläufe. Man spricht längst von einer "Sand-Mafia", die sich des profitablen Raubbaus widmet. Der Beitrag unserer Jeans dazu mag, in Relation etwa zum Baugewerbe, klein sein: Ganz vergessen wollen wir ihn nicht.

 

Quellen:
publiceye.ch: Sandstrahlen. Tödliche Gefahr bei der Jeansproduktion
Prof. Dirk Hebel: Sand - eine endliche Ressource
Heike Holdinghausen: Dreimal anziehen, weg damit. Westend Verlag

 

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